Im Kollektiv mit der Elbe
Das Elbe-Projekt von Martin Schepers beginnt im Sommer 2020 wie viele seiner künstlerischen Arbeiten mit einer Forschungsreise. Entlang des ehemaligen Grenzflusses markieren Brücken die Stationen seiner Wanderung und stehen als Inbegriff eines verbindenden Elements sinnbildlich für die Ausgangsfragen – welche Vorstellungen werden mit den Brücken über die Elbe verbunden, die zur Zeit der deutsch-deutschen Teilung nicht betreten werden konnten? Wird das Wasser als verbindendes oder trennendes Element empfunden? Schepers gibt seine Fragen an Menschen weiter, die Elbe-Ufer bewohnen, und fordert sie zu einem Gedankenspiel auf – wie sähe eine utopische Brücke aus und was würde sie bewirken?
In seinem künstlerischen Prozess lässt er sich von ihren zeichnerischen und textlichen Entwürfen leiten, die ihn per Briefpost erreichen, eine Sammlung von (Bild)geschichten entsteht und Schepers beginnt, den Fluss selbst als Hauptakteur eines kollektiven Experiments wahrzunehmen: Er versenkt weiße Leinwände, Netz- und Maschenwerke über längere Zeiträume in der Elbe, sie erfassen Spuren von Tieren und Pflanzen, die sich wie malerische Ereignisse ansammeln. Bilder einer biologischen Vielfalt der Elbe als Lebensraum entstehen, deren Autorenschaft er im Kollektiv mit dem Fluss teilt. Die Bildproben dieser Versuchsanordnungen sowie die Beiträge der Anwohner*innen verdichten sich in der Ausstellung mit großformatigen Zeichnungen und filmischen Arbeiten zu einer Installation, die das Handlungspotential aller beteiligten Akteure des Projekts sichtbar macht. Insbesondere der Elbe, deren verbindende Strömungskraft für uns vielleicht Brücken von der Utopie zu realisierbaren Perspektiven einer gemeinsamen, mit nicht-menschlichen Akteuren gestalteten Umwelt schlagen kann.
Anne Hölck